Tuesday, June 27, 2006

flying dutchman

Trouble in der neunten Straße im Haus gegenüber: Ein nachbarschaftlicher Zickenkrieg unter den Latinas ufert aus. Polizei fährt vor. Am Ende stehen alle auf der Straße: Vier Frauen, ihre vier Männer, zwei Polizisten und ihr NYPD-Vehikel. Der Verkehr steht mal wieder, es wird schrill.

Plötzlich teilt sich die Szene wie das rote Meer. Auftritt fliegender Holländer: Ein großer Weißer mit Rastamatte und dürrem Vollbart schlufft mitten durch die Szene, völlig unbeteiligt (um nicht zu sagen stoned), den Blick in die Ferne gerichtet. Vor sich hält er ein Segel aus Bettlaken, vom Wind gebauscht, auf dem geschrieben stund:

6 feet, 5 inch tall jew
freestyle raps for you.
telephone: ...

Ein paar Tage segelte er noch durch's East Village. Dann war er wohl "gone with the wind".

Saturday, June 24, 2006

Herbie Hancock & Friends @ Carnegie Hall


Die Carnegie Hall besticht nicht nur durch eine hervorragende Akustik und ein erlesenes Programm, sondern auch durch enorme Unbequemlichkeit. In der ersten Reihe des "Balcon" muss man nicht nur schwindelfrei sein, sondern Füße wie eine Geisha haben, möchte man sie denn vor seinem Sitzchen auf den Boden stellen.

Desungeachtet hat Herbie Hancock in vier Sets ein brillantes Spektrum seiner Jazz-Seiten aufgeblättert. Überwiegend begeisternd, in Teilen enttäuschend, brachte der einflussreiche Musiker beim JVC Jazz Festival in kürzester Zeit eine enorme Vielfalt auf die Bühne.


Bill Cosby eröffnet den Reigen kurz, aber knackig: "Jack DeJohnette. Ron Carter. Herbie Hancock." Das Publikum sinkt schon vor dem ersten Ton auf die Knie. Das Trio gibt klassischen Trio-Jazz mit Hancocks "Toys" und Jimmy Van Heusens "Thought About You", dessen Melodie kaum zu erkennen ist. Bassgott Ron Carter steht gut gelaunt seinen Mann, Jack DeJohnette überrascht wie so oft mit sensibel gespielter Batterie, Hancock orchestriert das Trio gefühlvoll und leitet es sicher und dynamisch. Freudenjuchzer beim Publikum, als nach dem ersten Stück der Überraschungsgast des Abends auftrittt: Michael Brecker, der trotz seiner schweren Knochenmarkserkrankung alles in seinem Tenorsolo von Hancocks "One Finger Snap" gibt.

TRIO: Herbie Hancock (p), Ron Carter (b), Jack Dejohnette (dr), surprise guest Michael Brecker (sax)



Das zweite Set leitet einen Kurswechsel ein. Die Musik des Quintetts ist erheblich moderner und wartet mit überflüssigen Spielereien auf. Wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte der Carnegie Hall wird eine elektronische Melodica zur Auffuehrung gebracht. Herbie Hancock verschwindet beinahe zwischen dem Flügel, den Keyboards und dem obligatorischen weißen MacIntosh-Computer. Umso mehr treten die anderen Musiker in Aktion.
Lionel Loueke überrascht mit einem knochentrockenen Gitarrenklang, der eher an westafrikanische Zupfinstrumente erinnert und bringt - dank Elektronik - mit seiner dunklen Stimme einen ganzen Chor auf die Lautsprecher. Eindrucksvoll sind Stimmvolumen und Improvisationstechnik des Riesen. In seiner Introduction vergisst Hancock nicht zu erwähnen, dass der in Benin gebürtige Musiker immer wieder Visaprobleme, besonders mit den USA, hat, wenn er mit Hancock auf Tournee geht.
Hancocks Neuentdeckung Lili Haydn, gewandet wie eine Opernsängerin, bedient die elektronische Violine und beamt damit das Publikum zurück in die Fusionjazzphase der achtziger Jahre. Der Effekt verstärkt sich, wenn sie mit ihrer hauchenden, an Björk erinnernden Stimme Schleier über nahezu still stehende Musik legt.

Zu den jüngeren Musikern in der Band gehören Matt Garrison am elektrischen Bass und der junge Tourneedrummer Hancock's, Richie Barshay, der mit moderner Spieltechnik aufwartet.
Zu viele Köche verderben den Brei, auch bei diesem Quintet: Zu viele Solisten, zu viele Stile, zu wenig Zusammenhalt als Klangkörper lassen den Zuhörer etwas ratlos zurueck. Die Solos sind allesamt interessant, aber es fehlt die Klammer.

Das Spiel zerfällt vollständig, als Funklegende Marcus Miller auftaucht und Hancock's Funk-Hymne "Chamaeleon" elektrifiziert. Seine Basslines zerstören den letzten Rest des Gefüges: Viel zu laut, aufdringlich, dominant werden sie zwar dem Funk gerecht, zersplittern jedoch den Abend. Dem Publikum gefällt's - doch wird das Dilemma der "& Friends-"Konzerte offenbar: Nicht jeder kann oder will mit jedem. Der Versuch, ein weites Spektrum abzubilden, ist eine Gratwanderung. Und mit diesem Quintet rutscht Hancock ab.

QUINTET: Herbie Hancock (p), Lionel Loueke (gui) from Benin, Lili Haydn (vio and voice), Matt Garrison (eb), Richie Barshay (dr), special guest Marcus Miller (eb)

Nach der Pause eroeffnet T.S. Monk - ein direkter Nachfahre von Thelonious Sphere Monk - den zweiten Part, preist Hancock als einen der größten (nicht nur der lebenden) Musiker und wirbt für Spenden ans Thelonious Monk Institute for Jazz.


Das folgende Pianodoppel mit Herbie Hancock und dem Kubaner Gonzalo Rubalcaba wetzt die Scharte des Quintetts nicht nur aus, sondern zeigt beide Musiker in Höchstform. Selten war so eine einvernehmliche Spielweise, ein so sensibel abgestimmtes Werk auf einer Bühne zu hoeren. Carnegie Hall at its best! Rubalcaba, der seine wilden Jahre hinter sich zu haben scheint und inzwischen filigraner arbeitet, schwebt in höhere Sphären, sorgfältig ausbalanciert durch Hancock's Modulationen und Zitate. Besonders deutlich wird das bei Hancock's klassischer Komposition "Maiden Voyage": Rubalcaba spielt funkelnd und leichthändig, während Hancock eher mit vollem Klang verdichtet. Sowohl bei Tempi, Modulation und Rhythmuswechseln erweisen sich die Pianisten als perfekt abgestimmt. Wo der eine vorlegt, reagiert der andere, nimmt ein Moment auf und antwortet in subtiler, leicht veränderter Weise.

PIANO DUETS: Herbie Hancock (p), Gonzalo Rubalcaba (p)


Von allen Freunden, die an diesem Abend mit Hancock spielen, ist der Saxophonist Wayne Shorter wohl einer der engsten. Beide sind schon mit Dave Holland am Bass und Brian Blade am Schlagzeug auf Tour gegangen, und diese Vertrautheit kommt unmittelbar über den Bühnenrand. Zwei Stücke von Shorter und ein drittes von Holland verschmelzen in der Carnegie Hall zu einer großen Suite. Sie ist geprägt von unregelmäßigen Rhythmen wie eine Tide mit Schluckauf, wirkt dabei aber völlig organisch. Shorter liefert ein brillantes Sopransolo, aber das Geheimnis dieses Sets liegt eher in den Details: Das atemberaubende Tenor Shorters webt sich durch Hancock's clevere Wechsel, Holland's bindende Ostinati und Blades raffinierte Verschiebungen.

QUARTET: Herbie Hancock (p), Wayne Shorter (sax), Dave Holland (b), Brian Blade (dr)

Es bleibt das schale Gefühl, einen Sampler durch die gesamte Kreativitätsphase eines großen Komponisten und Pianisten zu hören - zwar live, doch zu zusammenhanglos. Doch halt - wo gibt es sonst Gelegenheit, so viele exzellente Musiker auf einmal zu erleben? Die Carnegie Hall bietet keine Clubatmosphäre. Sie lässt durch Ihre Geschichte, ihre Größe nicht gerade experimentelle Atmosphaere aufkommen, eher bietet sie einen festlichen Rahmen. In einem solchen verstanden, ist der Auftritt von Herbie Hancock und seinen Freunden Weltklasse zu nennen. Er erweiterte erneut Gehör und Gehirn. Auch wenn danach die Füße taub waren.

Thursday, June 08, 2006

into Manhattan

Am Ende hatte es "nur" fünf Monate gedauert, die Green Card zu bekommen. Hilfreich war, dass ich nur rund einen Kilometer vom US-Generalkonsulat in Frankfurt entfernt wohnte.
Die Geschichten um den schnellsten Weg an die permanente Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis sind Legion. Auf dem Weg in die Stadt mit meiner Angetrauten erzählte unser ukrainischer Taxifahrer von seinem rumänischen Schwiegervater, der 17 Jahre benötigte, um den Amerikanern plausibel zu machen, dass er kein Commie sei.
Der Tip der Vizepräsidentin einer russisch-jüdischen Einwanderungsorganisation erwies sich als goldrichtig: Ein Antrag in der überlaufenen New Yorker Behörde wuerde acht bis neun Monate Wartezeit mit sich bringen, bevor die Akte überhaupt nur angesehen werde. In jedem anderen Bundesstaat ginge es wesentlich schneller (Connecticut und New Jersey vier bis sechs Monate, aber wer will da schon leben - Alaska: drei Tage!) - am besten sei es jedoch, sich in der US-Botschaft im Heimatland zu bewerben.
Schöne yellow cabs hier.

Wednesday, June 07, 2006

port of arrival: JFK, NYC, NY, USA

6.6.2006 - mein Einreisedatum in die Staaten. Carlos Gonzales sieht wirklich aus wie Carlos Gonzales. Hispanic durch und durch, mit einer Buzz-Frisur, wie ihn sonst die US-Soldaten tragen, nur dass Carlos Gonzales ein US Immigration Officer ist, ein Beamter einer Einwanderungsbehörde USCIS. Er versieht seinen Dienst am John-F.-Kennedy-Flughafen in New York und empfängt mich mich einem knappen "Welcome in the United States."
Das war's schon fast. Seine Kollegin bittet zu Fingerabdruck und Unterschrift für meine Green Card. So einfach ist das also. Nun ja, so einfach war es nicht...