Sunday, July 23, 2006

First Atlantic Sail Race


Meine erste Atlantik-Regatta: So schulbuchmäßig, wie es sich anhört, ist es gar nicht. In Rockport (Wiki), ein paar Autominuten nördlich von Gloucester, Mass. (Wiki), liegt seit 1885 der kleine, völlig unprätentiöse Sandy Bay Yacht Club. Mit Rhodes-19-Jollen sind wir durch die Sandy Bay gezischt, zwischen Hummerfallen und großartiger Aussicht auf Cape Ann.

Strahlendes Wetter, leichte Brise - und ein perfekter Start. Beim Startschuss gehen wir als Erste über die Linie. Mein Skipper Craig ist Ami durch und durch, doch gut herumgekommen. Bei den UN hat er gearbeitet und war in vielen Staaten Afrikas im Einsatz. Zurück in der Heimat gönnt er sich das Vergnügen, sonntags mit anderen um die Wette zu segeln. Aber er bleibt der Outsider. Rockport ist eine kleine Welt. Man kennt sich, ist miteinander verwandt. Das Geschäft verbindet - Rockport wird an Sommerwochenenden geradezu gestürmt von Touristen, die auf der Meile frischen Lobster, Süßkram und "Helmut's Apfelstrudel" konsumieren. Das Hafenbecken bietet "Motif No. 1", ein rot getünchtes Lagerhaus, das aus dem 18. Jahrhundert datiert. Direkt daneben gehen die Lobsterfischer ihrer Arbeit nach.

Auch äußerlich unterscheidet sich Craig von den anderen Clubmitgliedern: Der Rumpf seiner Rhodes ist geflickt - er selbst trägt Baseballkappe und kurze Hosen. Wenn man die Jollen der anderen sieht, meint man auf dem Tennisplatz zu sein, die Boote sind tipptopp, man trägt weiß. Doch der Umgangston ist absolut unprätentiös, als Fremder fühlt man sich willkommen und wird sofort in Gespräche verwickelt.

Der Wind ist nicht sehr stark, also müssen wir beide strategisch geschickt fahren. Das gelingt auf drei von vier Schlägen perfekt, wir können uns an Position zwei halten, obwohl wir noch nie miteinander gesegelt sind.

Außerdem fehlt mir noch das englische Seglervokabular, das schon im Deutschen recht gewöhnungsbedürftig ist. Mit Achterliek, Bullenstander und Cunningham-Kausch kann ich etwas anfangen, aber im Englischen? Außer "shiver me timbers" ist da noch nicht viel. Aber unter Rennbedingungen lernt man schnell.

Im letzten Schlag erwischen wir scheinbar das einzige Windloch in der ganzen Bay. Die gesamte Regatta zieht an uns vorbei, wir laufen schließlich als letzte ein. Wir nehmen's olympisch, dabei sein ist alles. Im Hafen gibt's dann auch entsprechend Schulterklopfen für das merkwürdige Gespann - der Outsider und der Kraut sind die Attraktion des Tages.

Der Sandy Bay Yacht Club liegt geschützt (Google maps) in einem Naturhafen. Das Clubhaus steht auf Stelzen mitten im Hafenbecken. Es ist im landestypischen Stil gebaut, komplett aus Holz, mit silbergrauen Schindlen. Aufgereihte Schaukelstühle auf der Terrasse bieten beste Sicht übers Wasser.


Und weil so nett war, gab's dann abends frischen Lobster - direkt vom Boot im Hafen von Gloucester, versteht sich. Die Kleinstadt auf Cape Ann wurde berühmt durch "The Perfect Storm" von Sebastian Junger. Die schauerliche Verflilmung von Wolfgang Petersen mit George Clooney verstellt den Blick auf das fantastische Buch (DE/US) des Journalisten, der die dramatischen Tage des stärksten bisher gemessen Sturms im Jahre 1991 faktenreich, detailliert und packend dokumentiert. Aber das ist eine andere Geschichte.

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